Smartwatches als neues Werkzeug zur Überwachung von CIDP: Was unsere Studie zeigt

Chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) ist eine seltene Autoimmunerkrankung, die zu Muskelschwäche, Sensibilitätsstörungen und Gangunsicherheit führt – und leider eine langfristige Behandlung erfordert. Trotz moderner Therapien bleibt die präzise Überwachung der Erkrankung eine Herausforderung: Klinische Scores sind oft ungenau, nervenbildgebende Verfahren aufwändig und Blutmarker bislang nicht verlässlich genug.

Doch was, wenn die Lösung buchstäblich am Handgelenk liegt?

EMDA-CIDP: Digitale Aktivitätsmessung per Smartwatch

In der EMDA-CIDP-Studie, durchgeführt an den Universitätskliniken Düsseldorf und Münster, wollten wir herausfinden, ob handelsübliche Smartwatches aussagekräftige Daten zur Krankheitsaktivität von CIDP-Patienten liefern können. 46 Patientinnen und Patienten, alle unter stabiler IVIG-Therapie, trugen über 6 Monate hinweg eine Smartwatch, die ihre tägliche Schrittanzahl sowie die Aktivitätsintensität dokumentierte.

Das Ziel: Herausfinden, ob sich diese Daten mit klassischen klinischen Parametern wie dem INCAT-Score oder der I-RODS-Selbsteinschätzung zur Lebensqualität korrelieren lassen.

Die Ergebnisse: Schritte sprechen eine klare Sprache

Unsere Analyse zeigte: Die maximale tägliche Schrittanzahl korreliert stark mit dem Gesundheitsstatus und der Lebensqualität. Je mehr Schritte die Patient:innen an ihren besten Tagen machten, desto besser waren ihre Werte in klinischen Scores – und desto höher bewerteten sie auch ihre physische, psychische und soziale Lebensqualität.

Besonders interessant: Schon eine Beobachtung über 14 Tage reichte aus, um ein stabiles Bild zu erhalten. Die Adhärenz war hoch – über 95 % der Patient:innen hielten sich an das Tragen der Uhr, ein vielversprechendes Zeichen für den Alltagseinsatz.

Smartphone als Alternative? Nur bedingt.

Eine zusätzliche Vergleichsgruppe aus Hannover nutzte ihre Smartphone-Schrittzähler. Auch hier zeigten sich ähnliche Trends – allerdings waren die Korrelationen schwächer. Der Grund: Smartphones werden nicht kontinuierlich getragen, liefern also weniger konsistente Daten. Für präzises Monitoring scheint die Smartwatch daher die bessere Wahl.

Warum das wichtig ist

Die meisten unserer CIDP-Patient:innen waren in stabiler Behandlung – trotzdem lag ihre durchschnittliche Schrittanzahl unterhalb der empfohlenen Aktivitätswerte. Das ist nicht nur medizinisch relevant, sondern hat direkte Auswirkungen auf die Lebensqualität.

Unser Ansatz erlaubt es, solche Informationen passiv, kontinuierlich und im Alltag zu erfassen – ohne zusätzlichen Aufwand für Patient:innen oder Ärzt:innen. Digitale Marker wie maximale Schrittzahl könnten so zu einer neuen Dimension der Krankheitsüberwachung werden.

Ein Ausblick in die Zukunft der Neurologie

Die Studie zeigt eindrucksvoll, wie tragbare Technologien – wenn richtig eingesetzt – neue Möglichkeiten in der Patientenversorgung eröffnen. In Zukunft könnten digitale Biomarker dabei helfen, Krankheitsverläufe früher zu erkennen, Therapieentscheidungen zu personalisieren und Betroffene in ihrer Selbstwahrnehmung zu stärken.

Zwar sind noch viele Fragen offen: etwa zur Einbindung in Gesundheitssysteme, zur Normierung der Daten oder zur Langzeitprognose. Doch die Ergebnisse unserer Studie liefern einen wichtigen Beleg dafür, dass Digitale Medizin mehr ist als ein Trend – sie ist ein realistisches Werkzeug zur Verbesserung der Versorgung.

Quelle: Masanneck L, Voth J, Gmahl N, Jendretzky K, Huntemann N, Werner NM, Schmidt L, Oeztuerk M, Quint P, Schroeter CB, Hartung HP, Skripuletz T, Hörste GMZ, Ruck T, Meuth SG, Pawlitzki M. Digital Activity Markers in Chronic Inflammatory Demyelinating Polyneuropathy. Ann Clin Transl Neurol. 2025 Jul 9. doi: 10.1002/acn3.70137. Epub ahead of print. PMID: 40635238.