Wenn die Bürokratie stärker ist als die Medizin

In einem eindrucksvollen Beitrag , erschienen in JAMA Neurology, schildert ein amerikanischer Arzt eine Erfahrung, die tief unter die Haut geht – nicht nur wegen der medizinischen Tragweite, sondern vor allem wegen des Versagens des Gesundheitssystems an einem entscheidenden Punkt: dem Zugang zu innovativer Therapie.

Es geht um ein achtjähriges, lebensfrohes Mädchen. Nur minimale, kaum auffällige Symptome veranlassten den behandelnden Arzt zu einem MRT – mit erschütterndem Befund: ein großer, inoperabler Hirntumor. Die gute Nachricht: Es handelte sich um ein niedriggradiges Gliom – behandelbar und potenziell heilbar. Dank moderner molekularer Diagnostik konnte eine Mutation nachgewiesen werden, die eine zielgerichtete Therapie mit einem zugelassenen Medikament möglich machte, besser verträglich als die traditionelle Chemotherapie, und zunehmend ein neuer therapeutischer Standard.

Die Entscheidung der Eltern fiel nach ausführlicher Beratung eindeutig zugunsten der modernen Therapie aus.

Und dann kam die Antwort der Krankenkasse: Ablehnung. Kein Ja zur neuen Therapie. Keine Unterstützung für die präzisere, schonendere, wissenschaftlich fundierte Therapie – weil die offiziellen Standards die Realität der modernen Krebsmedizin nicht schnell genug abbilden.

Der Arzt, der diese Geschichte erzählt, ist fassungslos. In einem Moment größter Frustration zitiert er Howard Beale aus dem Filmklassiker Network von 1976: „I’m mad as hell and I’m not going to take this anymore!“

Sein Ausruf ist kein emotionales Überkochen – er ist ein Weckruf. Denn dieser Fall steht sinnbildlich für viele andere: Die medizinische Wissenschaft entwickelt sich rasant, doch bürokratische Prozesse, Regelwerke und Erstattungslogiken bremsen den Fortschritt auf dem Rücken der Schwächsten – in diesem Fall eines achtjährigen Kindes.

Was muss sich ändern?
Wir brauchen einen Strukturwandel im Umgang mit innovativen Therapien. Schnellere Bewertungsprozesse, mehr Entscheidungsspielraum für behandelnde Ärztinnen und Ärzte und ein System, das bereit ist, sich an die Realität der modernen Medizin anzupassen. Denn sonst bleibt der medizinische Fortschritt Theorie – und Patientinnen und Patienten zahlen den Preis.

Quelle: Korones DN. “I’m as Mad as Hell and I’m Not Going to Take This Anymore!”. JAMA Neurol. Published online April 21, 2025. doi:10.1001/jamaneurol.2025.0782

Früher Einsatz hochwirksamer MS-Therapien in Deutschland: Neue Trends in der Behandlung

In den letzten Jahren hat sich das Behandlungsparadigma bei Multipler Sklerose (MS) in Deutschland deutlich verändert. Das zeigt eine aktuelle Auswertung von Krankenkassendaten aus den Jahren 2017 bis 2022, die die medikamentöse Erstbehandlung bei neu diagnostizierten MS-Patienten untersucht hat. Während früher meist mit moderat wirksamen Basistherapien begonnen wurde – im Sinne eines Eskalationsmodells –, zeigt sich nun eine zunehmende Tendenz, direkt mit hochwirksamen krankheitsmodifizierenden Therapien (High-Efficacy Therapies, HET) zu starten.

„Früher Einsatz hochwirksamer MS-Therapien in Deutschland: Neue Trends in der Behandlung“ weiterlesen

Eier kochen – aber bitte mit System!

Jeder kennt es: Ein Ei zu kochen scheint banal, doch das Ergebnis ist nicht immer perfekt. Mal ist das Eigelb zu flüssig, mal das Eiweiß zu gummiartig. Di Lorenzo et al. haben sich diesem alltäglichen Dilemma mit einem wissenschaftlichen Ansatz gewidmet: periodisches Kochen. Die Idee? Statt das Ei konstant zu erhitzen, wird die Temperatur in Intervallen variiert – mit erstaunlichen Auswirkungen auf Konsistenz und Geschmack.

„Eier kochen – aber bitte mit System!“ weiterlesen

Stroke aftercare in Germany- results of an online survey in the outpatient area of a Neurovascular Network

In Zusammenarbeit mit Robin Jansen

Die akute Schlaganfallbehandlung in Deutschland hat durch standardisierte Algorithmen und zertifizierte Schlaganfallstationen (Stroke Units) ein hohes Niveau erreicht. Jedoch besteht eine erhebliche Lücke in der strukturierten, bundesweiten Nachsorge. Eine Umfrage unter niedergelassenen Ärzten im regionalen neurovaskulären Netzwerk NEVANO+ deckte auf, dass Hausärzte und Neurologen als Hauptakteure in der Nachsorge angesehen werden. Allerdings existieren erhebliche Defizite in der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit, was zu einer fragmentierten Versorgung führt.

„Stroke aftercare in Germany- results of an online survey in the outpatient area of a Neurovascular Network“ weiterlesen

Unterschiede in der Immunantwort bei Autoimmunenzephalitis und virusassoziierter Enzephalitis

In Zusammenarbeit mit Marc Pawlitzki

Die Differenzierung zwischen autoimmuner Enzephalitis (AIE) und virusassoziierter Meningoenzephalitis (VME) stellt eine große Herausforderung in der klinischen Neurologie dar. Beide Erkrankungen können mit ähnlichen Symptomen einhergehen, wie Bewusstseinsstörungen, Krampfanfällen und kognitiven Defiziten, jedoch erfordert ihre Behandlung völlig unterschiedliche Ansätze.

„Unterschiede in der Immunantwort bei Autoimmunenzephalitis und virusassoziierter Enzephalitis“ weiterlesen

Finale von Staffel 1: Reine Nervensache – mit PD Dr. Marius Ringelstein über MOGAD

Die erste Staffel unserer Videoreihe geht zu Ende – und wir haben einen spannenden Gast: PD Dr. Marius Ringelstein, Neurologe und führender Experte für MOGAD (Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein-assoziierte Erkrankung).

Aber was genau ist MOGAD? Diese seltene entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems betrifft vor allem den Sehnerv, das Rückenmark und das Gehirn und wird häufig mit Multipler Sklerose verwechselt. Doch die Ursachen, der Verlauf und die Therapie unterscheiden sich erheblich.

In dieser Episode erklärt Dr. Ringelstein die neuesten Erkenntnisse zu MOGAD, diagnostische Herausforderungen und moderne Therapieansätze.

Update 2025: Autologe Stammzelltransplantation bei MS und NMOSD – Neue Empfehlungen von ECTRIMS & EBMT

In Zusammenarbeit mit Alice Willison

Die autologe hämatopoetische Stammzelltransplantation (AHSCT) ist eine hochwirksame Therapieoption für Patienten mit hochaktiver, therapierefraktärer Multipler Sklerose (MS). Mit dem Update 2025 haben ECTRIMS und EBMT ihre Empfehlungen aktualisiert und betonen erneut, dass eine frühzeitige Indikationsstellung entscheidend ist, um den maximalen Nutzen dieser Therapie zu erzielen.

„Update 2025: Autologe Stammzelltransplantation bei MS und NMOSD – Neue Empfehlungen von ECTRIMS & EBMT“ weiterlesen

Chancen und Herausforderungen der KI in der Neurologie

In Zusammenarbeit mit Marc Pawlitzki und Lars Masanneck

Die Digitalisierung der Medizin schreitet rasant voran, und große Sprachmodelle (LLMs) versprechen eine effiziente Unterstützung bei der klinischen Entscheidungsfindung. Doch wie zuverlässig sind diese Systeme wirklich? Unsere aktuelle Studie untersuchte verschiedene LLMs hinsichtlich ihrer Fähigkeit, leitlinienkonforme Antworten auf neurologische Fragestellungen zu liefern.

„Chancen und Herausforderungen der KI in der Neurologie“ weiterlesen

Abatacept führt zur langfristigen Wiederherstellung der B-Zell-Nische bei einer Patientin mit CTLA-4-Haploinsuffizienz

In Zusammenarbeit mit Marc Pawlitzki

Die CTLA-4-Haploinsuffizienz ist eine seltene genetische Erkrankung, die durch eine Fehlfunktion regulatorischer T-Zellen gekennzeichnet ist und zu Autoimmunerkrankungen sowie Immunzytopenien führen kann. Die Behandlung mit Abatacept, einem CTLA-4-Fusionsprotein, hat bereits positive Effekte bei Autoimmunerkrankungen gezeigt. Doch die langfristigen Auswirkungen auf die Funktion des Knochenmarks und das Immunsystem sind noch nicht vollständig erforscht.

„Abatacept führt zur langfristigen Wiederherstellung der B-Zell-Nische bei einer Patientin mit CTLA-4-Haploinsuffizienz“ weiterlesen

Folge 10 – Hereditäre Neuropathien und die Rolle des Nervenultraschalls

Die 10. Folge unseres Videopodcasts ist jetzt online! Dieses Mal freuen wir uns, Alexandra Borchert, ausgewiesene Expertin für periphere Neurologie, als Gast begrüßen zu dürfen.

Im Fokus steht das spannende Thema hereditäre Neuropathien:

  • Was verbirgt sich hinter diesen genetisch bedingten Nervenerkrankungen?
  • Wie äußern sie sich klinisch, und welche diagnostischen Herausforderungen bestehen?
  • Welche zentrale Rolle spielt der Nervenultraschall bei der Diagnostik und Beurteilung dieser Erkrankungen?

Mit ihrer Fachkenntnis und Erfahrung liefert Alex Borchert wertvolle Einblicke in die Welt der peripheren Neurologie und zeigt praxisnahe Ansätze für die klinische Anwendung auf.

Schauen Sie vorbei und vertiefen Sie Ihr Wissen!
📲 Jetzt online verfügbar: