Medikamente wie Tirzepatid haben die Adipositas-Therapie revolutioniert: Viele Patientinnen und Patienten verlieren massiv an Gewicht, berichten weniger Hunger und weniger „Food Noise“ – dieses ständige Kreisen der Gedanken um Essen. Aber was passiert dabei eigentlich im Gehirn? Und warum kehrt das Verlangen nach Essen bei manchen trotzdem wieder?
Eine neue Arbeit in Nature Medicine liefert dazu einen spektakulären Einblick direkt in das menschliche Belohnungszentrum.
Ein tiefes Kabel im Belohnungszentrum
Das Forscherteam aus Philadelphia begleitet eine kleine Gruppe von Menschen mit schwerer Adipositas und Kontrollverlust-Essen, bei denen Elektroden im Nucleus accumbens (NAc) implantiert wurden – eine zentrale Schaltstelle des Belohnungssystems. Die Elektroden sind eigentlich für tiefe Hirnstimulation gedacht, erlauben aber zugleich extrem hochauflösende Ableitungen der Hirnaktivität (iEEG).
Frühere Auswertungen zeigten: Kurz bevor Betroffene in Episoden starker Essensfixierung oder Verlust der Kontrolle rutschen, steigt im NAc die Aktivität in einem langsamen Frequenzband (Delta–Theta, ≤7 Hz) an. Dieses Muster scheint eine Art „Vorwarnsignal“ für Durchbruchs-Episoden zu sein.
Tirzepatid: Erst Ruhe im Kopf, dann Durchbruch
Im nun publizierten Fallbericht geht es um eine Patientin mit schwerer Adipositas und Kontrollverlust-Essen, die zusätzlich Tirzepatid erhielt – ein dualer GIP/GLP-1-Rezeptoragonist, der zur Behandlung von Diabetes und Adipositas eingesetzt wird.
Das Faszinierende:
- In den ersten Wochen unter Tirzepatid verschwanden die schweren Episoden von Food Preoccupation fast vollständig.
- Gleichzeitig war auch das charakteristische Delta–Theta-Signal im NAc deutlich gedämpft.
- Nach einigen Monaten traten jedoch wieder „Durchbruchs“-Episoden auf – diesmal erneut mit dem bekannten Anstieg der langsamen NAc-Aktivität kurz vor den Attacken.
Mit anderen Worten: Tirzepatid scheint das pathologische Belohnungssignal im Gehirn zunächst zu unterdrücken – aber dieser Effekt ist möglicherweise nur temporär.

