Therapieansätze bei MOGAD – von der Akutbehandlung zur langfristigen Strategie

Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein-Antikörper-assoziierte Erkrankung (MOGAD) ist eine seltene, antikörpervermittelte Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems, die sich klinisch sehr heterogen präsentieren kann – von Optikusneuritis über Myelitis bis zu kortikalen Enzephalitiden. Anders als bei MS oder AQP4-positiver NMOSD existieren bislang keine zugelassenen Langzeittherapien, und viele neurologische Kolleginnen und Kollegen sind bei der Frage nach Akut- und Dauertherapie mit Unsicherheiten konfrontiert. Der aktuelle Übersichtsartikel in Autoimmunity Reviews fasst den Stand der Evidenz zu Akutbehandlung, Steroid-Ausschleichen, Erhaltungstherapie und laufenden Studien zusammen und bietet damit eine gute Orientierung für den klinischen Alltag.

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Therapiefreie Remission mit Cladribin-Tabletten – Wie realistisch ist dieses Ziel bei MS?

In der MS-Therapie hat sich in den letzten Jahren ein deutlicher Wandel vollzogen: weg von der reinen Schubkontrolle hin zu Strategien, die auf eine möglichst langfristige Krankheitsberuhigung, geringere Therapiebelastung und idealerweise therapiefreie Intervalle abzielen. In unserem aktuellen Review in der Journal of Neurology-Serie sind wir der Frage nachgegangen, ob eine therapiefreie Remission mit Cladribin-Tabletten bei Multipler Sklerose ein realistisches Behandlungsziel ist – und für welche Patientengruppen dieser Ansatz in besonderem Maße infrage kommt.

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Wie Fumarate Nervenzellen schützen könnten – Ferroptose als neues Puzzleteil bei MS

Fumarate wie Dimethylfumarat (DMF) und Diroximelfumarat (DRF) gehören seit Jahren fest ins Portfolio der MS-Therapie. Dass sie Entzündungen dämpfen und das ZNS schützen können, ist bekannt – aber wie genau dieser Schutz auf Zellebene aussieht, war bislang nur teilweise klar. Eine aktuelle experimentelle Arbeit bringt nun einen spannenden Mechanismus ins Spiel: den Schutz vor Ferroptose.

Ferroptose ist eine Form des programmierten Zelltods, die stark von Eisen und Lipidperoxidation abhängt. Gerade Myelin und Oligodendrozyten sind anfällig für oxidativen Stress – also genau die Strukturen, die bei MS immer wieder unter Beschuss geraten. In verschiedenen Modellen konnte nun gezeigt werden, dass DRF und sein aktiver Metabolit Monomethylfumarat Myelin und oligodendrogliale Zellen vor ferroptosebedingten Schäden bewahren. Parallel werden zentrale „Anti-Ferroptose“-Akteure hochreguliert, etwa GPX4, HMOX1, FSP1, SLC7A11 und Ferritin. Kurz gesagt: Fumarate schalten Schutzprogramme an, die Eisen-getriebene Membranschäden begrenzen.

Wichtig ist, dass dieser Effekt nicht nur ein Artefakt aus der Zellkultur ist. In Tiermodellen unter DMF-Therapie steigen die GPX4-Spiegel in weißer und grauer Substanz, und auch bei MS-Patientinnen und -Patienten lässt sich unter Fumaratbehandlung eine verstärkte Expression anti-ferroptotischer Gene in peripheren Immunzellen nachweisen. In anderen Erkrankungen (z.B. rheumatoider Arthritis) ließ sich das so nicht replizieren – ein Hinweis darauf, dass es sich um einen kontext- und organspezifischen Mechanismus handeln könnte.

Für den klinischen Alltag ändert das zunächst nichts: Fumarate bleiben, was sie sind – etablierte verlaufsmodifizierende Therapien. Die Studie liefert aber ein wichtiges mechanistisches Puzzleteil: Fumarate aktivieren nicht nur klassische antioxidative Nrf2-Wege, sondern stärken offenbar gezielt anti-ferroptotische Schutzpfade. In einem Krankheitsbild, in dem die Integrität von Myelin und Oligodendrozyten zentral ist, könnte Ferroptose damit zu einem eigenen therapeutischen Ziel werden – und Fumarate wären eines der ersten Beispiele, wie sich neuroinflammatorische Prozesse genau über diese Achse günstig beeinflussen lassen.

Quelle: Fischer K, Thewes L, Prozorovski T, et al. Fumarate-based drugs protect against neuroinflammation via upregulation of anti-ferroptotic pathways. J Neuroinflammation. 2025;22(1):241. Published 2025 Oct 27. doi:10.1186/s12974-025-03592-3


Therapie-Wechsel bei MS: Was bringt der Switch zwischen Anti-CD20-Antikörpern und Cladribin?

Multiplen Sklerose. Beide richten sich in unterschiedlicher Weise gegen B-Zellen und gelten als hochwirksam bei aktiver Erkrankung. Dennoch gibt es immer wieder Patientinnen und Patienten, bei denen trotz dieser Therapien weiterhin Krankheitsaktivität auftritt – oder bei denen die langfristige Sicherheit zum Problem wird, etwa durch Infektionen oder Hypogammaglobulinämie unter langjähriger Anti-CD20-Therapie. Genau hier setzt eine neue multizentrische deutsche Studie an, die den gezielten Wechsel zwischen Anti-CD20 und Cladribin in der Versorgungspraxis untersucht hat.

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Wenn das Blut erzählt, wie aktiv die Multiple Sklerose ist – Neurofilament-Leichtketten als neuer Marker

Die Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung mit zwei Gesichtern. Nach außen sichtbar sind vor allem die Schübe: plötzliche Sehstörungen, Lähmungen, Taubheitsgefühle. Diese Ereignisse prägen das Krankheitsbild – für Betroffene, Angehörige und oft auch für die behandelnden Teams. Gleichzeitig läuft im Hintergrund ein zweiter Prozess: eine schleichende Schädigung von Nervenfasern, die lange kaum Symptome macht, aber entscheidend für die Langzeitprognose ist. Genau hier setzt ein neuer Biomarker an, der in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit bekommen hat: die Neurofilament-Leichtkette (NfL).

Neurofilamente sind Strukturproteine im Inneren von Nervenfasern. Man kann sie sich vereinfacht wie das „Stützgerüst“ eines Axons vorstellen. Wird eine Nervenfaser geschädigt, werden Fragmente dieser Proteine freigesetzt – zunächst in den Liquor und in geringerer Menge auch ins Blut. Je stärker die axonale Schädigung, desto höher steigt die NfL-Konzentration. Das gilt nicht nur für MS, sondern grundsätzlich für viele Erkrankungen des Nervensystems. Für die MS ist besonders spannend, dass sich diese Prozesse inzwischen mit sensitiven Labormethoden im Blut messen lassen – und zwar wiederholt, ohne Lumbalpunktion und ohne MRT-Termin.  

Schon vor vielen Jahren zeigte sich, dass NfL im Liquor bei aktiver MS erhöht ist. Der entscheidende Fortschritt war dann der Nachweis, dass Liquor- und Serumwerte eng zusammenhängen. Mit ultrasensitiven Immunoassays lässt sich NfL heute im Blut bestimmen. Dabei hat sich gezeigt: Der Marker ist erstaunlich robust. Proben sind stabil, die Messung lässt sich standardisieren, und es existieren mittlerweile Referenzmodelle, die Alter und Body-Mass-Index berücksichtigen. Das ist wichtig, denn NfL steigt auch bei gesunden Menschen mit zunehmendem Alter leicht an und ist bei Menschen mit sehr niedrigem BMI tendenziell höher. Statt auf rohe Zahlen zu schauen, werden die Werte deshalb zunehmend als Z-Scores oder Perzentilen interpretiert – also im Vergleich zu einer passenden Referenzpopulation.  

Was bedeutet das konkret für Menschen mit MS? Entlang des gesamten Krankheitsverlaufs eröffnen sich verschiedene Einsatzmöglichkeiten. Bereits im sehr frühen Stadium, etwa bei einem radiologisch isolierten Syndrom (RIS) oder nach dem ersten demyelinisierenden Ereignis, kann ein erhöhter NfL-Wert ein Hinweis auf eine aktuell aktive axonale Schädigung sein. Das hilft dabei, das individuelle Risiko besser einzuschätzen und die Frage zu beantworten, ob eine verlaufsmodifizierende Therapie frühzeitig begonnen werden sollte. Mit den neuen, revidierten Diagnosekriterien, die zum Teil auch eine MS-Diagnose ohne klaren klinischen Schub erlauben, gewinnt ein solcher Ausgangswert zusätzlich an Bedeutung.  

Im weiteren Verlauf lässt sich NfL nutzen, um Krankheitsaktivität und Therapieeffekte zu monitoren. Hohe Werte korrelieren oft mit Schubaktivität, neuen oder kontrastmittelaufnehmenden Läsionen in der MRT und einem höheren Behinderungsgrad. Unter wirksamer Immuntherapie sinken die Werte typischerweise. Besonders bei hochwirksamen Therapien wie Natalizumab oder B-Zell-depletierenden Antikörpern ist dieser Abfall meist deutlich ausgeprägt, während er unter klassischen Plattformtherapien moderater ausfällt. In der Praxis kann das helfen, Therapieentscheidungen zu untermauern: Persistierend erhöhte oder wieder ansteigende NfL-Werte trotz Behandlung können ein Hinweis darauf sein, dass die aktuelle Therapie nicht ausreicht. Umgekehrt können langfristig niedrige Werte – im Zusammenspiel mit stabiler Klinik und MRT – Argumente für eine Deeskalation oder eine vorsichtige Therapiepause liefern, etwa bei höherem Alter oder relevanten Komorbiditäten.  

Wichtig ist aber: NfL ist kein „MS-spezifischer“ Marker. Alles, was Nerven schädigt, kann die Konzentration im Blut erhöhen. Dazu gehören Schlaganfälle, Mikroangiopathien, Schädel-Hirn-Traumata, neurodegenerative Erkrankungen wie Demenzen oder Motoneuronerkrankungen, aber auch Myelopathien, ausgeprägte Spinalkanalstenosen oder Polyneuropathien. Selbst Operationssituationen und größere orthopädische Eingriffe können vorübergehende Anstiege verursachen. Hinzu kommen systemische Faktoren wie eine eingeschränkte Nierenfunktion oder ein schlecht eingestellter Diabetes, die den Wert beeinflussen können. Deshalb müssen unerwartet hohe NfL-Werte immer im klinischen Kontext bewertet werden – idealerweise mit wiederholten Messungen und einem Blick auf Begleiterkrankungen, Bildgebung und Zeitverlauf.  

Trotz dieser Einschränkungen zeigt sich ein klares Bild: Die Bestimmung von NfL im Blut hat sich von einem reinen Forschungswerkzeug zu einem ernsthaften Kandidaten für den klinischen Alltag entwickelt. Sie ergänzt die MRT, ersetzt sie aber nicht. Bildgebung bleibt unverzichtbar – etwa um die Lokalisation von Läsionen, den Verlauf der Hirnatrophie und andere strukturelle Aspekte zu erfassen. NfL kann jedoch etwas, das MRT-Untersuchungen im Alltag oft schwer leisten: Es erlaubt ein relativ engmaschiges, minimal-invasives Monitoring, das zuverlässig anzeigt, ob aktuell axonaler Schaden entsteht oder nicht.

Für die Zukunft bleibt spannend, ob sich mithilfe von NfL auch schubunabhängige Progressionsprozesse – das, was zunehmend unter dem Begriff PIRA (progression independent of relapse activity) diskutiert wird – besser identifizieren und vielleicht sogar vorhersagen lassen. Hier braucht es weitere Studien, vor allem auch Daten, die zeigen, ob eine gezielte Therapieintensivierung auf Basis von NfL-Verläufen tatsächlich langfristig zu weniger Behinderung führt. Klar ist aber schon heute: Das Blut kann uns bei MS mehr erzählen, als wir lange gedacht haben – wenn wir genau hinhören.

Quelle: Neurofilament­ Bestimmung im Blut bei ­ Multipler ­ Sklerose, Forum Anitas, 4. Ausgabe 2025, Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Sven Meuth, PD Dr. med. Marc Pawlitzki

JCV-Testung unter Natalizumab – zwei Testverfahren, eine Herausforderung

Natalizumab gehört seit fast 20 Jahren zu den effektivsten Therapien der hochaktiven Multiplen Sklerose. Mit dem seit 2024 verfügbaren Biosimilar Tyruko® stehen nun erstmals zwei Präparate – und damit auch zwei unterschiedliche JC-Virus-Antikörpertests – zur Verfügung.

Im Gespräch mit PD Dr. Marc PawlitzkiDr. Melanie Schütte und Prof. Dr. Orhan Aktas (Universitätsklinikum Düsseldorf) wurde deutlich, dass die Einführung des neuen, sensitiveren ImmunoWELL™ JCV-IgG-Tests im Praxisalltag für Unsicherheit sorgt. Während der bisherige STRATIFY-JCV®-DxSelect™-Test die Grundlage der bekannten Risikotabellen bildet, lassen sich dessen Werte nicht direkt auf den neuen Test übertragen.

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Ocrelizumab bei pädiatrischer Multipler Sklerose

In Zusammenarbeit mit Marc Pawlitzki

Die pädiatrische Multiple Sklerose (POMS) macht schätzungsweise 3–5 % aller MS-Fälle aus. Sie beginnt meist im Jugendalter und verläuft häufig besonders entzündlich und schubaktiv. Wiederholte Schübe, eine hohe MRT-Läsionslast und frühe kognitive Beeinträchtigungen führen dazu, dass betroffene Kinder und Jugendliche ein erhöhtes Risiko für langfristige Behinderung und neurodegenerative Veränderungen haben.

Frühe, gezielte Immuntherapie ist daher insbesondere bei POMS essenziell, jedoch waren bisher die therapeutischen Möglichkeiten deutlich limitiert.

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MS Diagnose ohne klinisches Ereignis?

In Zusammenarbeit mit Marc Pawlitzki

Die Diagnosekriterien der Multiplen Sklerose (MS) wurden im Jahr 2024 erneut überarbeitet. Eine zentrale Neuerung besteht darin, dass nun auch Personen als an MS erkrankt eingestuft werden können, ohne dass bisher ein klinischer Schub aufgetreten ist. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen MRT-Befunde typische Läsionen im zentralen Nervensystem zeigen, die in Lokalisation und Verteilung einer MS-Pathologie entsprechen – auch wenn die Betroffenen bislang keine klinischen Symptome entwickelt haben. Diese Konstellation wird als Radiologically Isolated Syndrome (RIS) bezeichnet.

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Multiple Sklerose und Onkologie – Gemeinsamkeiten zweier scheinbar getrennter Welten

Multiple Sklerose (MS) und maligne Erkrankungen wirken zunächst wie zwei völlig verschiedene Krankheitsbilder. Während die MS durch fehlgeleitete Immunreaktionen geprägt ist, stehen bei malignen Erkrankungen unkontrollierte Zellvermehrung und Immunflucht im Vordergrund. In den letzten Jahren hat sich jedoch gezeigt, dass beide Bereiche immunologisch enger miteinander verwoben sind, als man lange angenommen hat.

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Therapieoptionen bei MS und rheumatoider Arthritis: Was wirkt wirklich?

In Zusammenarbeit mit Marc Pawlitzki

Die gleichzeitige Diagnose von Multipler Sklerose (MS) und rheumatoider Arthritis (RA) stellt in der klinischen Praxis eine therapeutische Herausforderung dar – zumal einige Medikamente für die eine Erkrankung die andere verschlechtern können. Eine neue Übersichtsarbeit unter Federführung der Kollegen aus der MHH (Neurol Res Pract 2025) bietet nun eine systematische Einordnung aktueller krankheitsmodifizierender Therapien (DMT) bei Komorbidität von MS und RA.

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