In Zusammenarbeit mit Marc Pawlitzki
Die idiopathische intrakranielle Hypertension (IIH) ist eine Erkrankung mit teils erheblicher Morbidität, die vor allem junge, adipöse Frauen betrifft. Charakteristisch ist eine Erhöhung des intrakraniellen Drucks ohne Nachweis eines Tumors, einer venösen Sinusthrombose oder eines Hydrozephalus. Klinisch stehen therapieresistente, oft migräneähnliche Kopfschmerzen und Sehstörungen im Vordergrund, die bis zur irreversiblen Visusminderung oder Erblindung fortschreiten können. Pathophysiologisch spielen dabei nicht nur das Körpergewicht, sondern vor allem metabolische und endokrine Faktoren eine Rolle – etwa Insulin- und Leptinresistenz, hormonelle Dysbalancen sowie venöse Abflussstörungen mit Stenosen der Sinus transversus. Diese Mechanismen führen zu einer gestörten Liquorproduktion und -resorption und damit zu einem chronisch erhöhten Hirndruck.
Die Diagnosestellung erfordert eine strukturierte Abklärung aus klinischem Bild, Liquordiagnostik und Bildgebung. Typische Symptome sind drückende, häufig retroorbitale Kopfschmerzen, pulsatiler Tinnitus und transiente oder persistierende Sehstörungen. Ophthalmoskopisch findet sich häufig ein Papillenödem; Gesichtsfelduntersuchungen und OCT sind entscheidend für die Verlaufsbeurteilung und Risikostratifikation. Im Liquor zeigt sich ein erhöhter Eröffnungsdruck bei unauffälliger Zusammensetzung. Die MRT des Neurokraniums dient dem Ausschluss sekundärer Ursachen und kann indirekte Zeichen des erhöhten intrakraniellen Drucks zeigen, etwa eine „empty sella“, erweiterte Optikusscheiden, Abflachung der posterioren Sklera oder Stenosen der venösen Sinus. In unklaren Fällen kann eine invasive venöse Druckmessung mit Darstellung von Druckgradienten über Transversusstenosen entscheidende Zusatzinformationen liefern.
Therapeutisch stehen zunächst konservative Maßnahmen im Vordergrund. Gewichtsreduktion ist ein zentraler Baustein und kann sowohl den intrakraniellen Druck als auch die Symptomlast deutlich reduzieren. Ergänzend kommen medikamentöse Therapien wie Acetazolamid als Erstlinientherapie zur Reduktion der Liquorproduktion sowie alternativ oder additiv Topiramat und diuretische Konzepte zum Einsatz. Neuere Daten legen nahe, dass GLP-1-Rezeptoragonisten bei adipösen Patientinnen mit IIH aufgrund ihrer gewichtsreduzierenden und metabolischen Effekte einen relevanten Stellenwert gewinnen könnten. In der Akutsituation können wiederholte Liquorentlastungspunktionen eine rasche, aber temporäre Besserung von Kopfschmerzen und Visusbeschwerden erreichen. Kopfschmerzen werden zusätzlich symptomatisch, etwa mit migränegerichteten Therapien, behandelt, ohne dass hierdurch der Krankheitsmechanismus selbst beeinflusst würde.
Bei drohendem Visusverlust oder refraktärem Verlauf unter konsequenter konservativer Therapie rücken invasive und minimalinvasive Verfahren in den Fokus. Klassisch wurden ventrikulo- oder lumboperitoneale Shunts sowie die Dekompression der Sehnervenscheide eingesetzt. Beide Verfahren können effektiv sein, sind aber mit nicht unerheblichen Risiken und Komplikationen wie Überdrainage, Shuntdysfunktion, Infektionen oder Reinterventionen verbunden. Gerade in dieser Situation etabliert sich das endovaskuläre venöse Sinusstenting zunehmend als minimalinvasive Alternative. Voraussetzung ist in der Regel der Nachweis einer hämodynamisch relevanten Stenose der Sinus transversus mit pathologischem Druckgradienten in der invasiven venösen Messung. Durch die Stentimplantation wird der venöse Abfluss verbessert, die Liquorresorption erleichtert und der intrakranielle Druck global gesenkt – im Gegensatz zur rein symptomorientierten lokalen Druckentlastung am Sehnerv.
Klinische Daten zeigen, dass sich unter venösem Sinusstenting Papillenödeme in der Mehrzahl der Fälle deutlich bessern oder vollständig zurückbilden und sich die Sehleistung stabilisieren oder verbessern kann. Shunt-assoziierte Komplikationen wie Überdrainage oder mechanische Defekte treten hier naturgemäß nicht auf; im Vordergrund stehen vielmehr die Überwachung der Stentdurchgängigkeit und das Management möglicher In-Stent- oder angrenzender Stenosen. Üblicherweise wird eine duale Thrombozytenaggregationshemmung über mehrere Monate, gefolgt von einer Monotherapie, durchgeführt. Bei klinischem Rezidiv werden erneute angiographische und manometrische Kontrollen empfohlen, um eine Re-Stenose frühzeitig zu erkennen.
Insgesamt deutet die aktuelle Datenlage darauf hin, dass die IIH-Therapie sich von einer rein konservativ und chirurgisch geprägten Strategie hin zu einem differenzierten, stufenweisen Vorgehen entwickelt, in dem minimalinvasive endovaskuläre Verfahren einen festen Platz einnehmen. Entscheidend bleibt die frühzeitige Diagnosestellung, eine konsequente Gewichtskontrolle, engmaschige augenärztliche und neurologische Kontrollen sowie ein interdisziplinäres Management zwischen Neurologie, Neuroradiologie und Ophthalmologie. Künftige Studien müssen klären, welche Patientinnen besonders von einem Sinusstenting profitieren, wie der optimale Zeitpunkt der Intervention ist und welche periinterventionellen Standards sich bewähren. Gleichzeitig könnten ein vertieftes Verständnis metabolischer Einflussfaktoren und der breitere Einsatz von GLP-1-Rezeptoragonisten neue therapeutische und präventive Wege eröffnen – mit dem Ziel, Visusverlust zu verhindern und die Lebensqualität von Menschen mit IIH nachhaltig zu verbessern.

