Cladribin weist möglicherweise direkte Effekte im ZNS auf

Sven Meuth

Experimente am Mausmodell deuten darauf hin, dass eine Behandlung mit Cladribin-Tabletten direkte Effekte im ZNS erzielen kann, indem es zum Beispiel die Apoptose von Mikrogliazellen induziert und deren Proliferation hemmt.

Cladribin ist ein synthetisches Purin-Analogon, dass die Apoptose von peripheren, proliferierenden Lymphozyten induziert und somit Rekrutierung von Lymphozyten ins ZNS hemmt. Da der Wirkstoff auch die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann, wurde das neuroprotektive Potenzial anhand von Mausmodellen der autoimmunen Enzephalomyelitis (EAE) im ZNS untersucht.

In diesen Experimenten wurde unter anderem die Immunzell-Komposition mittels Durchflusszytometrie in der Peripherie und im ZNS von EAE-Mäusen mit ausgeprägten Läsionen der grauen und weißen Hirnsubstanz, die entweder oral mit Cladribin oder einem Placebo behandelt wurden, verglichen. Um mögliche direkte neuroprotektive Eigenschaften herauszufiltern, wurden ex vivo elektrophysiologische Techniken angesetzt zur Untersuchung der neuronalen Aktivität und der spontanen synaptischen Aktivität im neuronalen Netzwerk des primären auditorischen Kortex.

Eine orale Therapie mit Cladribin-Tabletten ging mit einer signifikanten Verbesserung der Schwere der Erkrankung bei EAE-Mäusen einher. Die Analysen per Durchflusszytometrie bestätigten, dass Subtypen von Lymphozyten im peripheren Blut depletiert wurden und die Rekrutierung von Lymphozyten ins ZNS vermindert war. Der Effekt auf die lymphoiden Organe war gering.

Histologische Auswertungen ergaben keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Inzidenz inflammatorischer Läsionen im ZNS unter Cladribin im Vergleich zu Placebo, jedoch mit einer tendenziell geringeren Läsionslast in der grauen und weisen Substanz in der Verum-Gruppe. 

Die Effekte von Cladribin auf die Immunzellen im ZNS zielten vornehmlich auf Mikrogliazellen ab und gingen mit einer transienten, signifikanten Reduktion der Mikroglia-Zellen einher.

Die Ergebnisse weisen zudem auf eine direkte Wirkung von Cladribin auf die EAE-induzierte Übererregbarkeit pyramidaler kortikalen Neuronen hin.

Diese Experimente liefern einen ersten Hinweis darauf, dass eine Behandlung mit Cladribin-Tabletten neben immunsuppressiven Effekten in der Peripherie, auch neuroprotektive Effekte im ZNS mit einer Reduktion der Mikroglia-Zellen erzielen könnte, schlussfolgern die Studienautoren. Diese Annahme sollte in weiteren Studien, vor allem auch zu den langfristigen Effekten von Cladribin im ZNS, überprüft werden. Zum Artikel