Digitale Medizin in der neurologischen Forschung – zwischen Hype und Evidenz

In Zusammenarbeit mit Lars Masanneck

In dem kürzlich im Nervenarzt erschienen Leitthema widmen wir uns den Chancen und Herausforderungen der Digitalen Medizin in der Neurologie – mehr unter https://link.springer.com/article/10.1007/s00115-023-01581-6#citeas.

In der Welt der Neurologie steht eine Revolution bevor, angetrieben durch die rasanten Fortschritte in der digitalen Medizin. Einflüsse wie die COVID-19-Pandemie haben nicht nur strukturelle Defizite im Gesundheitssystem aufgedeckt, sondern auch das enorme Potenzial digitaler Technologien für eine moderne klinische Versorgung enthüllt. Die wachsende Bedeutung von digitalen Gesundheitstechnologien (DGT) und digitalen Therapeutika (DTx) markiert den Beginn einer neuen Ära in der Behandlung und Erforschung neurologischer Erkrankungen.

DGT, die eine breite Palette digitaler Technologien umfassen, werden zunehmend für das Fernmonitoring und die Bewertung von Patientenfunktionen eingesetzt. Diese Technologien, von Fitnessarmbändern bis hin zu intelligenten Sensoren, ermöglichen eine genauere Überwachung und Analyse des Gesundheitszustandes der Patienten. Sie erlauben es, neue behandlungsrelevante Informationen aus dem Alltag der Patienten zu gewinnen, die zuvor unzugänglich waren. Dies eröffnet neue Perspektiven für eine personalisierte und präzisere Medizin, insbesondere in einem komplexen Feld wie der Neurologie.

Digitale Therapeutika, eine spezialisierte Untergruppe der DGT, sind darauf ausgerichtet, Krankheiten oder Störungen auf einer evidenzbasierten Grundlage zu behandeln, zu managen oder zu verhindern. In Deutschland hat das Konzept der DTx bereits erheblichen Einfluss gewonnen, insbesondere durch die Einführung digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA). Diese Entwicklung stellt einen entscheidenden Schritt dar, um Therapien breiter und effizienter zugänglich zu machen und gleichzeitig die Qualität der Behandlung zu verbessern.

In der Forschungslandschaft zeichnet sich ebenfalls ein zunehmendes Interesse an DGT und DTx ab. Klinische Studien haben begonnen, diese Technologien sowohl zu validieren als auch zur Erfassung von Endpunkten einzusetzen. Die Möglichkeiten, die DGT bieten, sind besonders in der Neurologie von Bedeutung, wo traditionelle Messmethoden an ihre Grenzen stoßen. Sie ermöglichen es, feine Krankheitsnuancen und Veränderungen im Alltag der Patienten zu erfassen, die mit herkömmlichen Methoden oft unentdeckt bleiben.

Die Herausforderung besteht nun darin, diese Technologien in den klinischen Alltag zu integrieren und ihre Wirksamkeit sorgfältig zu bewerten. Eine kritische Evaluierung und die enge Verzahnung von Technik und Medizin sind unerlässlich, um die Glaubwürdigkeit und den Nutzen dieser digitalen Lösungen zu gewährleisten. Es ist wichtig, zwischen echten Innovationen und oberflächlichen Trends zu unterscheiden, um sicherzustellen, dass nur die Technologien implementiert werden, die einen echten Mehrwert für Patienten und Forschung bieten.

Die digitale Revolution in der Neurologie bietet somit immense Chancen, um die Versorgung und Behandlung von Patienten zu verbessern und die Forschung voranzutreiben. Die Nutzung digitaler Technologien in klinischen Studien und der Praxis eröffnet neue Möglichkeiten für intersektorale Forschungsansätze und eine verbesserte Patienteneinbindung. Insbesondere die Möglichkeit, digitale Biomarker und elektronische klinische Daten zu erfassen, verspricht innovative Endpunkte in Studien. Diese könnten Bereiche wie Motorik, Schlaf, Kognition und Sprache abdecken und damit ein umfassenderes Bild des Patientenzustands liefern.

Darüber hinaus ermöglicht die digitale Medizin eine kontinuierliche und Echtzeit-Erfassung von Krankheitsverläufen, was besonders in der Behandlung neurologischer Erkrankungen von großer Bedeutung ist. Diese Technologien bieten die Chance, alltagsrelevante Beeinträchtigungen, Fluktuationen und auch akute Krankheitsverschlechterungen besser einzuschätzen, als dies mit den derzeitigen klinischen Parametern möglich ist.

Die Zukunft der Neurologie wird daher maßgeblich von der Integration und Weiterentwicklung digitaler Medizintechnologien geprägt sein. Es wird darauf ankommen, diese Entwicklungen sinnvoll zu nutzen, um sowohl die Patientenversorgung als auch die neurologische Forschung auf ein neues Niveau zu heben. Die digitale Revolution ist nicht nur ein Versprechen für verbesserte Behandlungsmethoden und Forschungsergebnisse, sondern auch eine Herausforderung, neue Wege in der Medizin zu gehen und dabei stets den Patienten in den Mittelpunkt zu stellen.

Weitere Artikel zum Thema von unserer Arbeitsgruppe:

https://www.nature.com/articles/s41746-023-00767-1

https://www.aerzteblatt.de/archiv/233667/Untersuchung-der-raeumlichen-Erreichbarkeit-von-Gedaechtnisambulanzen-in-Deutschland

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36762020/

https://neurolrespract.biomedcentral.com/articles/10.1186/s42466-023-00267-3

In the recently published focus topic in the journal „Nervenarzt,“ we dedicate ourselves to the opportunities and challenges of Digital Medicine in Neurology – learn more at https://link.springer.com/article/10.1007/s00115-023-01581-6#citeas.

A revolution is looming in the world of neurology, driven by rapid advancements in digital medicine. Influences such as the COVID-19 pandemic have not only exposed structural deficiencies in the healthcare system but also unveiled the enormous potential of digital technologies for modern clinical care. The growing significance of Digital Health Technologies (DHT) and Digital Therapeutics (DTx) marks the beginning of a new era in the treatment and exploration of neurological disorders.

DHT, encompassing a broad range of digital technologies, are increasingly employed for remote monitoring and assessing patient functions. These technologies, from fitness trackers to smart sensors, enable more accurate monitoring and analysis of patients‘ health conditions. They allow for the acquisition of new treatment-relevant information from patients‘ daily lives that was previously inaccessible. This opens up new perspectives for personalized and more precise medicine, especially in a complex field like neurology.

Digital Therapeutics, a specialized subgroup of DHT, are designed to treat, manage, or prevent diseases or disorders on an evidence-based basis. In Germany, the concept of DTx has already gained significant influence, particularly through the introduction of Digital Health Applications (DiGA). This development represents a crucial step in making therapies more widely and efficiently accessible while improving the quality of treatment.

The research landscape also shows a growing interest in DHT and DTx. Clinical studies have begun to validate and utilize these technologies for endpoint assessment. The opportunities provided by DHT are particularly relevant in neurology, where traditional measurement methods reach their limits. They enable the capture of subtle nuances and changes in patients‘ daily lives that often go unnoticed with conventional methods.

The challenge now is to integrate these technologies into clinical practice and carefully evaluate their effectiveness. A critical evaluation and close integration of technology and medicine are essential to ensure the credibility and benefits of these digital solutions. It is crucial to distinguish between genuine innovations and superficial trends to ensure that only technologies offering real value to patients and research are implemented.

The digital revolution in neurology thus offers immense opportunities to improve patient care and treatment and advance research. The use of digital technologies in clinical studies and practice opens up new possibilities for interdisciplinary research approaches and enhanced patient involvement. In particular, the ability to capture digital biomarkers and electronic clinical data promises innovative endpoints in studies, covering areas such as motor skills, sleep, cognition, and language, providing a more comprehensive picture of the patient’s condition.

Furthermore, digital medicine enables continuous real-time tracking of disease progress, which is of great importance in the treatment of neurological disorders. These technologies provide the opportunity to better assess everyday impairments, fluctuations, and even acute disease deteriorations than is currently possible with existing clinical parameters.

The future of neurology will, therefore, be significantly shaped by the integration and further development of digital medical technologies. It will be crucial to harness these developments sensibly to elevate both patient care and neurological research to new heights. The digital revolution is not just a promise for improved treatment methods and research outcomes but also a challenge to explore new avenues in medical practice.