MS und Rauchen – Ein Beitrag zum Weltnichtrauchertag

In Zusammenarbeit mit Alice Willison

Vor dem Hintergrund des Weltnichtrauchertags haben wir mit Interesse die aktuelle Studie von Kleerekooper et al. gelesen, die die Daten von 71,981 Personen aus der britischen BioBank-Studie analysierte, von denen 179 an Multipler Sklerose (MS) erkrankt waren (1). Die Autoren wollten herausfinden, inwieweit die Risikofaktoren Rauchen, Alkoholkonsum und Fettleibigkeit das Ausmaß der Neurodegeneration bei MS beeinflussen, was durch die Messung der Dicke der makulären Ganglienzellschicht und der inneren plexiformen Schicht (mGCIPL) ermittelt wurde. Dies ist ein sehr wichtiges Thema, da in den letzten Jahren, wie von Herz et al. beschrieben, eine zunehmende Zahl von Berichten gezeigt hat, dass sowohl in postmortalen MS-Biopsien als auch in Mausmodellen Hinweise für eine Neurodegeneration vorliegen (2). Neuronale Schäden sind irreversibel, und es hat sich gezeigt, dass irreversible Behinderungen stärker mit neuronalen Schäden als mit der MS bedingten Demyelinisierung korrelieren (2). Die Mechanismen, die der Neurodegeneration bei MS zugrunde liegen, sind jedoch unklar, und die Identifizierung von potentiellen Risikofaktoren, die zu diesen Prozessen beitragen, ist dahingehend von großer Bedeutung.

Nehmen wir das Rauchen als relevanten Risikofaktor, der nachweislich mit einem erhöhten Risiko für Behinderungen und schlechteren langfristigen Outcome bei Patienten mit MS verbunden ist, wie eine umfassende Übersichtsarbeit von Moss et al. zeigt (3). Eine schwedische Studie, in der 728 Raucher mit MS untersucht wurden, ergab, dass, jedes zusätzliche Jahr des Rauchens nach der MS-Diagnose die Zeit bis zur Konversion zu einer sekundär chronischen MS (SPMS) um 4,7% beschleunigte. Darüber hinaus entwickelten diejenigen, die weiter rauchten, SPMS in einem Durchschnittsalter von 48 Jahren, verglichen mit denjenigen, die mit dem Rauchen aufhörten, die SPMS in einem Durchschnittsalter von 56 Jahren (4). Dies wird durch die Daten von O’Gorman et al. bestätigt, die 646 MS Patienten in Australien untersuchten und ein erhöhtes Progressionsrisiko bei denjenigen aufwiesen, die in der Vergangenheit geraucht hatten (5).

Außerdem hat sich gezeigt, dass Rauchen mit dem Fortschreiten der Behinderung, gemessen am EDSS-Score, einhergeht. Das Risiko, einen EDSS-Score von 4 oder 6 zu erreichen, war bei denjenigen höher , die in der Vergangenheit geraucht haben. Ein Beendigung des Rauchens verringert auch hier deutlich das Erreichen eines EDSS-Scores von 4 (6). Die Daten deuten darauf hin, dass regelmäßiges Rauchen mit einer schwereren Erkrankung und einem schnelleren Fortschreiten der Behinderung verbunden ist (6). Kleerekooper et al. fanden heraus, dass aktuelles Rauchen signifikant mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit einer MS-Diagnose verbunden war, sowohl im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen als auch zu Kontrollpersonen mit Komorbiditäten. Die Autoren stellten außerdem fest, dass Personen, bei denen MS diagnostiziert wurde, anfälliger für die neurodegenerativen Auswirkungen von Rauchen und Alkoholkonsum zu sein scheinen. Wie genau das Rauchen das Risiko einer fortschreitenden Erkrankung erhöht, die wahrscheinlich durch neurodegenerative Prozesse bedingt ist, ist unklar. Daten zur Alzheimer-Demenz haben gezeigt, dass Rauchen mit erhöhtem oxidativem Stress, Neuroinflammation, verminderter Neuroprotektion zusammenhängt (7). Kleerekooper et al. argumentieren, dass neurodegenerative Prozesse, die bei MS auftreten, mit den neurotoxischen Wirkungen des Rauchens und des Alkohols interagieren können, was zu einem verstärktem neuronalen Zelltod und axonalen Verlust führt.

Wir wissen also, dass MS-Patienten, die derzeit rauchen, ihr Risiko für das Fortschreiten der Krankheit durch den Verzicht auf das Rauchen entsprechend positiv beeinflussen können. Wie die aktuelle Studie von Kleerekooper et al. zeigt, könnte sich das Nichtrauchen sogar auf die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung von MS auswirken. Der Weltnichtrauchertag ist daher auch aus neurologischer Sicht ein wichtiges Argument für die Gesundheit und gegen das Rauchen.

  1. Kleerekooper I, Chua S, Foster PJ, Trip SA, Plant GT, Petzold A, Patel P; UK Biobank Eye and Vision Consortium. Associations of Alcohol Consumption and Smoking With Disease Risk and Neurodegeneration in Individuals With Multiple Sclerosis in the United Kingdom. JAMA Netw Open. 2022 Mar 1;5(3):e220902. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2022.0902. PMID: 35238934; PMCID: PMC8895260.
  2. Herz J, Zipp F, Siffrin V. Neurodegeneration in autoimmune CNS inflammation. Exp Neurol. 2010 Sep;225(1):9-17. doi: 10.1016/j.expneurol.2009.11.019. Epub 2009 Dec 1. PMID:19961850.
  3. Moss BP, Rensel MR, Hersh CM. Wellness and the Role of Comorbidities in Multiple Sclerosis. Neurotherapeutics. 2017 Oct;14(4):999-1017. doi: 10.1007/s13311-017-0563-6. PMID: 28785958; PMCID: PMC5722768.
  4. Ramanujam R, Hedström AK, Manouchehrinia A, Alfredsson L, Olsson T, Bottai M, Hillert J. Effect of Smoking Cessation on Multiple Sclerosis Prognosis. JAMA Neurol. 2015 Oct;72(10):1117-23. doi: 10.1001/jamaneurol.2015.1788. PMID: 26348720.
  5. O’Gorman CM, Broadley SA. Smoking increases the risk of progression in multiple sclerosis: A cohort study in Queensland, Australia. J Neurol Sci. 2016 Nov 15;370:219-223. doi: 10.1016/j.jns.2016.09.057. Epub 2016 Sep 28. PMID: 27772763.
  6. Manouchehrinia A, Tench CR, Maxted J, Bibani RH, Britton J, Constantinescu CS. Tobacco smoking and disability progression in multiple sclerosis: United Kingdom cohort study. Brain. 2013 Jul;136(Pt 7):2298-304. doi: 10.1093/brain/awt139. Epub 2013 Jun 11. PMID: 23757766; PMCID: PMC3692034.
  7. Liu Y, Li H, Wang J, Xue Q, Yang X, Kang Y, Li M, Xu J, Li G, Li C, Chang HC, Su KP, Wang F. Association of Cigarette Smoking With Cerebrospinal Fluid Biomarkers of Neurodegeneration, Neuroinflammation, and Oxidation. JAMA Netw Open. 2020 Oct 1;3(10):e2018777. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2020.18777. PMID: 33006621; PMCID: PMC7532384.