Neurofilament bei Kindern und Jugendlichen

In Zusammenarbeit mit Marc Pawlitzki

Die Messung der Konzentration des Neurofilament-Leichtkettenproteins im Serum (sNfL) scheint eine immer größere Rolle bei der Beurteilung neurologischer Erkrankungen und deren Dynamik zu spielen. Neben einer Vielzahl von Arbeiten bei neurologischen Krankheitsentitäten im Erwachsenalter, deuten einige Arbeiten daraufhin, dass auch bei Kindern entsprechende sNFL Spiegel den klinischen Verlauf dokumentieren könnten.

In einer aktuellen Studie wurde nun versucht eine altersangepasste sNfL-Referenzdatenbank in einer Population gesunder Kinder und Jugendlicher zu ermitteln und die klinische Anwendbarkeit dieser Datenbank bei pädiatrischen Patienten mit neurologischen Erkrankungen zu validieren. Um diese Referenzdatenbank für sNfL bei Kindern und Jugendlichen zu erstellen, wurden sNfL-Werte bei einer Population gesunder Kinder und Jugendlicher (im Alter von 0–22 Jahren) aus zwei großen Kohorten in Europa und Nordamerika gemessen. Kinder mit aktiver oder früherer COVID-19-Infektion, SARS-CoV-2-Antikörper-Positivität zum Zeitpunkt der Probenentnahme oder einer Vorgeschichte primärer systemischer oder neurologischer Erkrankungen wurden ausgeschlossen. Der Einfluss von Alter und Gewicht auf die sNfL-Konzentrationen wurde entsprechend statistisch berücksichtigt. Die Verteilung der sNfL-Konzentrationen wurde als Funktion altersbedingter physiologischer Veränderungen modelliert, um Referenzpercentile und Z-Score-Werte mithilfe eines generalisierten additiven Modells abzuleiten. Die klinische Anwendbarkeit der neuen Referenzdatenbank wurde bei Kindern und Jugendlichen (im Alter von 1–19 Jahren) mit neurologischen Erkrankungen (Epilepsie, Schädel-Hirn-Trauma, bakterielle ZNS-Infektionen, pädiatrischer früh beginnende Multiple Sklerose und Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein-antikörperassoziierte Erkrankung) aus der pädiatrischen Neuroimmunologie-Klinik der University of California in San Francisco (Kalifornien, USA) und dem Children’s Hospital der University of Regensburg (Regensburg, Deutschland) getestet. Insgesamt wurden Proben von 2667 gesunden Kindern und Jugendlichen verwendet. In der gesunden Population nahmen die sNfL-Konzentrationen mit dem Alter um geschätzte 6,8 % pro Jahr ab, bis zum Alter von 10,3 Jahren und blieben danach bis zum Alter von 22 Jahren weitgehend stabil. Unabhängig vom Alter war die Auswirkung des Gewichts auf die sNfL-Konzentrationen marginal. Proben von 220 Kindern mit neurologischen Erkrankungen wurden verwendet, um die klinische Nützlichkeit der Referenz-Z-Scores zu validieren. In dieser Population waren die altersangepassten sNfL-Z-Scores höher als in der Referenzpopulation gesunder Kinder und Jugendlicher (p<0,0001) mit höheren Effektgrößenmetriken (Cohen’s d=1,56) im Vergleich zur Anwendung der absoluten sNfL-Konzentrationen (d=1,28).

Diese Datenbank wird Grundlage vieler weiterer wichtiger wissenschaftlicher Fragestellungen sein und könnte somit auch für die Translation des Markers in den klinischen Alltag die entsprechende Grundlage darstellen. Interessant ist, dass der BMI im Vergleich zu Erwachsenen keine so große Rolle zu spielen scheint.
Quelle: Abdelhak, A., Petermeier, F., Benkert, P., Schädelin, S., Oechtering, J., Maleska Maceski, A., Kabesch, M., Geis, T., Laub, O., Leipold, G., Gobbi, C., Zecca, C., Green, A., Tumani, H., Willemse, E., Wiendl, H., Granziera, C., Kappos, L., Leppert, D., Waubant, E., … Kuhle, J. (2023). Serum neurofilament light chain reference database for individual application in paediatric care: a retrospective modelling and validation study. The Lancet. Neurology, S1474-4422(23)00210-7.