Tumorvakzine – die Impfung gegen Krebs?

In Zusammenarbeit mit Tristan Kölsche

Impfungen sind eine überaus erfolgreiche und bewährte pharmakologische Strategie um das Immunsystem zu befähigen, potentielle Krankheitserreger aus unserer Umwelt abzuwehren. Wie trainieren wir aber ein auf äußere Erreger spezialisiertes Immunsystem darauf, Tumoren zu bekämpfen, die aus unserem eigenen Gewebe entstanden sind? Dieser Frage geht ein kürzlich erschienener Review nach, der von Wissenschaftlern der Harvard Medical School veröffentlicht wurde (Sellars et al., 2022). In ihrer Arbeit erläutern die Autoren die vier Pfeiler einer möglicherweise künftig effektiven Krebsimpfung: die Aktivierung der relevanten körpereigenen Zellpopulationen, die Wahl des richtigen Antigens, die Wege zu den Antigen-präsentierenden Zellen (antigen-presenting cells; APCs) und Co-Therapien zur Verstärkung der Immunantwort.

Die Entwicklung von Krebsimpfstoffen hat sich zellulär auf die Generierung tumorspezifischer, CD8+ zytotoxischer T-Lymphozyten (CTLs) fokussiert, da bei vielen Tumorarten das Überleben mit der Anzahl der CD8+ tumorinvadierenden Lymphozyten (TILs) korreliert. Die weitere Forschung sollte nach Ansicht der Autoren jedoch auch andere Zelltypen wie beispielweise CD4+ T Zellen und B Zellen mit einbeziehen. Aktuell in Entwicklung befindliche Krebsimpfstoffe fokussieren sich auf sogenannte „Neoantigene“, d.h. Antigene, die durch krebsspezifische Mutationen entstehen. Die verfügbaren Sequenzierungs- und Bioinformatik-Technologien können jedoch nur circa die Hälfte dieser Neoantigene überhaupt detektieren (Wu et al., 2018). Darüber hinaus ist ungeklärt, welche mutmaßlichen Neoantigene tatsächlich immunogen sind. Zudem ist es von großer Bedeutung, dass eine effektive Impfreaktion auf der Verarbeitung eines verimpften Antigens durch Antigen-präsentierenden Zellen (APCs) beruht. Die notwendige Reifung dieser Zellen kann durch Adjuvanzien begünstigt werden, wobei für den Transport der Kombination aus Antigen und Adjuvanz beispielsweise Nanopartikel genutzt werden könnten (Lynn et al., 2020). Wenig erforschte Aspekte sind zudem der Zeitplan der Impfung inklusive möglicher Auffrischungsimpfungen und die Frage, ob eine „heterologe Auffrischung“ (d.h. mit unterschiedlichen Impfstoffvarianten) eine noch stärkere Immunität bewirken könnte. Schließlich werden von den Autoren für die Verstärkung der Impfreaktion durch Co-Therapien drei Hauptmechanismen vorgeschlagen: die Maximierung des angeborenen T-Zell-Primings, die bereits in vielen Krebserkrankungen erfolgreich eingesetzte Immuncheckpointblockade und die Optimierung der T-Zell-Funktion in der immunsuppressiven Tumormikroumgebung.

Krebsimpfstoffe sind in mittlerweile 50 Jahren Forschung intensiv untersucht worden, jedoch bisher weiterhin leider keine klinische Realität. Tumorspezifische T-Zellen haben für ein dauerhaftes Überleben der Patienten höchste Relevanz und es ist erwiesen, dass Krebsimpfstoffe sowohl die Zahl als auch das Repertoire dieser Zellen positiv beeinflussen können. Die Erforschung und therapeutische Nutzung wirksamer T-Zell-Populationen bleibt jedoch weiterhin eine zentrale Herausforderung.