Funktionelle Neuromodulation der zerebralen Netzwerke mittels tiefer Hirnstimulation

Ein Gastbeitrag von Prof. Sergiu Groppa

Die funktionelle Neuromodulation und die tiefe Hirnstimulation (DBS) haben sich in den letzten zwanzig Jahren zu hochwirksamen, evidenzbasierten Behandlungsoptionen für neuropsychiatrische Erkrankungen entwickelt. Darüber hinaus haben sich diese faszinierenden Instrumente zu wichtigen neurowissenschaftlichen Tools entwickelt, die anschauliche Einblicke in die Funktionsweise von Hirnnetzwerken ermöglichen. Entstandene neue anatomische und pathophysiologische Modelle haben unser Verständnis neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen und der Funktionsweise des Gehirns beschleunigt. Die Beschreibung der Gehirnnetzwerke wurde mithilfe der integrativen Nutzung der DBS und der modernen Bildgebung durch die einzigartige Fähigkeit erweitert, kausale Interaktionen zwischen miteinander verbundenen Hirnregionen zu veranschaulichen,  und durch die Möglichkeit, lokale Hirnaktivitäten mit einer zeitlichen Auflösung von Millisekunden aufzuzeichnen (Mikroelektrodenaufzeichnungen, lokale Feldpotentiale, Elektroenzephalographie und Magnetenzephalographie) und zu modulieren.

Unsere Arbeiten der letzten Jahre beschrieben, wie die bildgebenden Verfahren zum aktuellen Verständnis der DBS-Effekte geführt haben, indem die DBS-Ziele identifiziert und verfeinert wurden und die aktuelle Sichtweise auf die Beziehungen zwischen Elektrodenpositionen und klinischen Effekten illustriert wird (Groppa et al. 2014; Gonzalez-Escamilla et al. 2019). Wir gehen noch einen Schritt weiter und erörterten, wie die Neurobildgebung die Sichtweise von lokalisierten DBS-Effekten auf eine Modulation spezifischer Hirnschaltkreise verlagert hat, was durch die Kombination von Rekonstruktionen der Elektrodenstandorte mit kürzlich eingeführten Methoden der Netzwerkbildgebung möglich wurde (Koirala et al. 2018; Torres Diaz et al. 2021). Wir zeigen auf, wie diese Erkenntnisse mit den klinischen Wirkungen zusammenhängen, und postulieren damit die Neurobildgebung als einen Schlüsselfaktor für das Verständnis der Mechanismen der DBS-Wirkung auf das Verhalten und die klinischen Wirkungen. Weiterhin zeigten wir, wie invasive elektrophysiologische Techniken effizient für die stereotaktische Implantation integriert wurden, um die neuroanatomischen Ziele der DBS auf der Grundlage regionsspezifischer Muster der zerebralen Netzwerke neu definiert werden können (Koirala et al. 2020). Wir arbeiten drauf hinaus, dass elektrophysiologische Aufzeichnungen (z.B. mit EEG oder Lokalfeldpotentiale) von mehreren Regionen einen Echtzeit-Einblick in die abweichenden Gehirnschaltungen innerhalb und außerhalb der DBS-Ziele gewähren, um die dynamischen Eigenschaften rhythmischer Oszillationen zu quantifizieren und zu kartieren (Muthuraman et al. 2020). Wir erörterten auch, wie die DBS die vorübergehenden Synchronitätszustände oszillatorischer Netzwerke in zeitlichen und räumlichen Bereichen während Ruhe-, aufgabenbezogenen und Bewegungsbedingungen verändert und wie diese Modulation von Hirnzuständen letztendlich die Funktion des Gehirns formt (Tinkhauser et al. 2020).