Interview mit Anja Eschweiler, Kinderhospiz Regenbogenland

  • Erzählen Sie uns etwas über Ihre Person. Seit wann arbeiten Sie im Kinderhospiz und wie sind Sie auf diese Arbeit aufmerksam geworden?

Mein Name ist Anja Eschweiler und ich bin Geschäftsleiterin des Förderverein Kinder- und Jugendhospiz Düsseldorf e.V., dem alleinigen Träger des Kinder- und Jugendhospiz Regenbogenland in Düsseldorf.

Mein Weg in das Regenbogenland war durchaus ein ungewöhnlicher. Ursprünglich komme ich aus einem ganz anderen Bereich: Ich war in der Automobilindustrie beschäftigt und dort dreizehn Jahre in der Öffentlichkeitsarbeit eines Premium-Automobilherstellers tätig. Während dieser Zeit hatte ich die ersten Berührungspunkte zum Kinder- und Jugendhospiz Regenbogenland in Düsseldorf, da ich in meiner Funktion auch für die Vergabe von Spenden zuständig war. Wir durften damals dem Regenbogenland unerwartet einen Herzenswunsch erfüllen und ein Fahrzeug für die so wichtigen Unternehmungen mit den Gästen spenden. Diese Überraschung konnte ich bei meinem ersten Besuch und nach einer bewegenden Hausvorstellung mit dem Regenbogenland teilen- ein sehr emotionaler Moment.

Dadurch war mein erster Kontakt zum Haus ein sehr berührender Kontakt, der noch lange in Erinnerung bleiben wird und mich unmittelbar eng an das Haus gebunden hat. Es folgte eine langjährige Unterstützung des Regenbogenlandes im beruflichen und auch privaten Kontext. Vor allen Dingen die fröhliche und liebevolle Atmosphäre des Hauses hatte mich tief beeindruckt. Mein Ziel war und ist es seitdem, diese Wahrnehmung in der Öffentlichkeit zu stärken und dabei zu helfen weitere Unterstützer zu finden.

Im November 2017 wurde ich dann im Alter von 30 Jahren in den Vorstand des Förderverein Kinder- und Jugendhospiz Düsseldorf e.V. gewählt und habe mich dort, neben meinem Vollzeitjob beim größten industriellen Arbeitgeber Düsseldorfs, ehrenamtlich engagiert. Während meiner Vorstandsarbeit habe ich mich im Regenbogenland verstärkt den Themen Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising gewidmet.

Im Jahr 2019 habe ich mich dann dazu entschieden aus der Automobilbranche auszubrechen und mich auch hauptamtlich dem Gedanken der Kinderhospizarbeit zu widmen. Die Diskrepanz zwischen den „Alltagsproblemen“ eines Premium-Automobilherstellers und denen, die mir dann im Regenbogenland begegneten, wurde immer größer. Es liegt auf der Hand: Alle betroffenen Eltern würden gerne jedes dieser Probleme mehrfach auf sich nehmen, wenn sie dieses eine nicht hätten. Aber auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit und auch dem eigenen, geleisteten Beitrag dazu, wurde immer drängender. Und so entschied ich mich entgegen aller wirtschaftlichen und rationalen Gründe für einen Wechsel – raus aus dem geschützten Raum eines großen Industrieunternehmens, rein in die Umgebung eines gemeinnützigen, spendenfinanzierten Vereins.

Und so habe ich im Regenbogenland zunächst die Bereiche Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising geleitet und bin seit August 2021 als Geschäftsleiterin des Förderverein Kinder- und Jugendhospiz Düsseldorf e.V. tätig. Die Motivation für meine tägliche Arbeit: alles dafür zu tun, um dabei zu helfen die verbleibende gemeinsame Zeit der Familien so erfüllt und positiv wie möglich zu gestalten.

  • Als Neurologinnen und Neurologen arbeiten wir immer wieder auch mit Erwachsenenhospizen zusammen. Inwieweit unterscheidet sich die Arbeit und der Ablauf vom Kinderhospiz?

Es gibt tatsächlich einen bedeutenden Unterschied zwischen Erwachsenenhospizen und Kinder- und Jugendhospizen. Während ein Erwachsenhospiz Menschen ausschließlich in ihrer finalen Lebensphase aufnimmt, dürfen Kinder- und Jugendhospize die erkrankten Kinder und Jugendlichen bereits ab der Diagnose einer lebensverkürzenden Erkrankung begleiten.

So können wir im Regenbogenland Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene von Geburt an bis zu einem Alter von 27 Jahren mit einer vom Arzt diagnostizierten lebensverkürzenden Erkrankung aufnehmen und begleiten. Das Regenbogenland begleitet somit die erkrankten Kinder und Jugendlichen nicht nur in der letzten Phase ihres Lebens: Der ganzheitliche Ansatz besteht insbesondere darin, der gesamten Familie schon während der Zeit der Erkrankung zur Seite zu stehen. Dies kann oft viele Jahre eines gemeinsamen Weges voller Miteinander-Momente und wertvoller Unterstützung bedeuten.

Über das gesamte Jahr verteilt können die betroffenen Familien dann im Regenbogenland Aufenthalte anfragen, die gemeinsam geplant und festlegt werden. Vor dem ersten Aufenthalt sind die Familien natürlich herzlich eingeladen, das Regenbogenland, seine Räumlichkeiten und die warme und einladende Atmosphäre bei einem Erstgespräch kennenzulernen. Altersentsprechend wird das erkrankte Kind dann entweder im Kinder- oder Jugendbereich des Regenbogenlandes aufgenommen und dort individuell von unserem multiperspektivischen Team begleitet.

Die meisten unserer Gäste verbringen circa 30 Tage im Jahr bei uns im Regenbogenland, wir nennen diese Aufenthalte dann „Entlastungsaufenthalte“, weil sie eine wertvolle Möglichkeit für die gesamte Familie darstellen, um Kraft zu schöpfen und neue Energien zu sammeln.

  • Für Außenstehende bedeutet der Begriff „Hospiz“ oft die letzte Station vor dem Sterben. Wie verhält sich das im Kinderhospiz?

Es ist verständlich, dass bei dem Begriff „Hospiz“ häufig ausschließlich an die Begleitung in der finalen Lebensphase gedacht wird. Auch Familien mit einem lebensverkürzend erkrankten Kind fällt der Weg in ein Kinder- und Jugendhospiz häufig nicht leicht. Oftmals haben auch sie Assoziationen, die sie davon abhalten, die Hilfe in Anspruch zu nehmen, die sie eigentlich dringend benötigen und auch verdient haben. Wir im Kinder- und Jugendhospiz Regenbogenland sehen es als unsere Aufgabe, den Familien diese Unsicherheit zu nehmen, und ihnen zu zeigen, wie wertvoll eine angemessene Unterstützung durch einen Aufenthalt in unserem Haus für sie sein kann.

Denn wenn das eigene Kind lebensverkürzend erkrankt, verändert sich das bisherige Leben von Grund auf, und die gesamte Familie muss ihren Lebensalltag neu organisieren. Die Pflege und Betreuung eines erkrankten Kindes mit Familie und Beruf in Einklang zu bringen, stellt viele Eltern vor große psychische und physische Herausforderungen. In dieser Ausnahmesituation stehen wir betroffenen Familien als Kinder- und Jugendhospiz Regenbogenland zur Seite und bieten vielfältige Unterstützung an.

Jede Familie geht hierbei ihren eigenen, ganz individuellen Lebensweg. Unsere Aufgabe ist es, diesen Weg wahrzunehmen, anzunehmen und mitzugehen. Dabei ist es uns besonders wichtig, jedes einzelne Familienmitglied im Blick zu haben, individuelle Gesprächs- und Unterstützungsangebote anzubieten und die Familien dauerhaft und nachhaltig auf ihrem Lebensweg zu begleiten. Unser Haus steht hierbei allen Familien mit erkrankten Kindern offen, unabhängig ihrer Herkunft, Religion, Hautfarbe oder Weltanschauung.

Unsere tägliche Arbeit ist geprägt von Lebensfreude und tiefer Verbundenheit, die in gemeinsamen Miteinander-Momenten gelebt wird.

Selbstverständlich verstehen wir auch die Begleitung und Unterstützung in der letzten Lebensphase eines Kindes als unsere essenzielle, wenn auch außerordentliche Aufgabe.

In der letzten Lebensphase eines Kindes bieten wir den Familien an, das betroffene Kind sowie seine nächsten Familienangehörigen zeitnah in unser Haus aufzunehmen. Zu den Besonderheiten in unserem Kinder- und Jugendhospiz zählt die umfassende palliativmedizinische Vor-Ort-Betreuung rund um die Uhr. Dabei legen wir großen Wert auf einen liebevollen, wertschätzenden Umgang und eine würdevolle Versorgung. Dazu gehört auch eine psychosoziale Begleitung, die das Kind beim Abschiednehmen von seinen Lieben und der Welt unterstützt. Qualifizierte Sozialpädagoginnen und unser Seelsorger stehen dem betroffenen Kind und seinen Zugehörigen als einfühlsame Gesprächspartner zur Seite.

Ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit liegt zudem in der Begleitung und Beratung der Familien in Trauerzeiten. Abschiednehmen und Sterben verstehen wir als wesentliche Aspekte des Lebens. Es ist uns wichtig, ihnen und der Trauer den notwendigen, würdevollen Raum zu geben. Dazu gehören im Regenbogenland neben Gesprächen auch verschiedene Trauerrituale und kreative Abschiedsmöglichkeiten. Auch auf diesem vermeintlich letzten Abschnitt begleiten wir Familien und geben ihnen den Freiraum, um das zu tun, was sich für sie richtig anfühlt. 

Es braucht Zeit, um den Tod des geliebten Kindes mit allen Sinnen zu begreifen. So besteht z.B. im Abschiedsraum des Kinder- und Jugendhospiz die Möglichkeit, sich in Ruhe und in würdevoller Atmosphäre zu verabschieden. Der warm und liebevoll gestaltete Raum befindet sich etwas abseits vom Tagesgeschehen. Er bietet Raum und Schutz für diesen Prozess und bietet zudem die Möglichkeit, Trauerrituale, wie z.B. die liebevolle Bemalung des Sarges oder spezielle Abschiedsrituale, durchzuführen. Hier haben Familien bis zu sieben Tage lang die Möglichkeit, ihrem verstorbenen Kind nah zu sein. Auch Freunde und Bekannte können sich in Ruhe verabschieden. Der Abschiedsraum kann dabei individuell mit Fotos, Erinnerungsstücken, Kerzen, Blumen und Musik gestaltet werden.

Auch eine Familie, deren Kind nicht in unserem Kinder- und Jugendhospiz verstorben ist, hat hier die Gelegenheit, sich von ihrem Kind zu verabschieden.

Es liegt uns sehr am Herzen, betroffenen Familien ein würdevolles Umfeld zu ermöglichen und ihre Wünsche und Bedürfnisse bestmöglich zu erfüllen. Wir wünschen uns sehr, dass wir auch über den Tod eines Kindes hinaus Ansprechpartner für die ein Leben lang betroffenen Familien bleiben dürfen. Solange die betroffene Familie uns braucht, stehen wir ihr als Ansprechpartner in ihrem veränderten Leben zur Seite. Dies schließt auch die Trauerbegleitung für Eltern, für die Geschwister und andere nahe Familienangehörige mit ein. Wir sind da – an besonderen Tagen, wie dem Todestag oder dem Geburtstag des verstorbenen Kindes, genauso wie an allen anderen Tagen, an denen sich die Familien Begleitung wünschen.

  • Erzählen Sie uns bitte etwas über Ihre Einrichtung? Wieviel Kinder und Jugendliche haben hier aktuell einen Platz und wie viele Gäste haben sie im Jahr?

Das Kinder- und Jugendhospiz Regenbogenland bietet insgesamt zehn Plätze in zwei Pflegebereichen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit lebensverkürzender Erkrankung an. Fünf Plätze entfallen hierbei auf den Kinderbereich und fünf weitere Plätze auf den Jugendbereich. Wir betreuen über 250 Familien, viele davon nehmen unterjährig stationäre und ambulante Angebote des Regenbogenlandes wahr.

Im Regenbogenland übernehmen ausschließlich qualifizierte Pflegefachkräfte die Pflege und Betreuung der Kinder. Fachweiterbildungen wie z.B. im Bereich der Pädiatrischen Palliativ Care, der außerklinischen Beatmung oder der basalen Stimulation sichern darüber hinaus die hohe Qualität der pflegerischen Versorgung. Die ganzheitliche Pflege orientiert sich in Inhalt und Umfang an den körperlichen, psychischen und sozialen Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen. Da die Eltern ihr Kind am besten kennen, erfassen und planen wir den individuellen Pflegebedarf gemeinsam in einem ausführlichen Aufnahmegespräch. Die Familien können auf Wunsch bei der Pflege und Betreuung ihrer Kinder mitwirken, können sich aber auch rund um die Uhr auf die Sicherheit und die Kompetenz der Pflegefachkräfte verlassen.

Jedes Kind erhält durch spezialisierte Kooperationspartner aus den Bereichen der Physiotherapie und Logopädie alle notwendigen therapeutischen Maßnahmen für die Dauer seines Aufenthalts im Kinder- und Jugendhospiz Regenbogenland. Als Ergänzung bieten wir zudem unterschiedlichste Therapiemöglichkeiten an, die zur Linderung der körperlichen Beschwerden und zur Entspannung der kleinen und großen Gäste beitragen und ihnen Momente des Wohlfühlens bereiten. Hierzu gehört z.B. die Tiergestützte Therapie. Dabei erhalten wir Besuch auf vier Pfoten, unter anderem durch unsere Therapiehunde, die uns regelmäßig besuchen. Das Besondere: Hund und Gast finden immer eine gemeinsame Sprache, sie verstehen sich wortlos. Das ist sehr wichtig, da sich viele unserer Gäste nicht (mehr) mit Worten ausdrücken können.  Ein anderes Beispiel ist der Einsatz von Musiktherapie. Sie dient neben ihrer entfaltenden therapeutischen Wirkungsweise vor allem der Erhaltung und Förderung der psychischen Gesundheit und kann maßgeblich zur Entspannung, gesteigerter Selbstwahrnehmung und erhöhter Lebensfreude beitragen. Ich persönlich mag auch besonders die Clown-Therapie:  Einmal im Monat bekommen wir bunten und wohltuenden Besuch von den „Klinik-Clowns“. Ganz individuell gehen sie auf jedes Kind und jeden Jugendlichen ein und nehmen unsere Gäste auf wunderbare Phantasiereisen mit. Zusätzlich setzen wir auch andere Therapieformen, wie Kunsttherapie oder Aromatherapie ein, immer mit dem Ziel möglichst schöne und erfüllte Miteinander-Momente zu schaffen.

  • Wie sieht es mit der Betreuung der Eltern und Geschwister aus? Gibt es auch hier eine entsprechende Betreuung?

Im Regenbogenland verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz: Wir sehen es als unsere Aufgabe der ganzen Familie Entlastung zu ermöglichen, Hilfe zu bieten und ein Angebot zu schaffen, in dem alle Beteiligten – Betroffene ebenso wie Zugehörige – neue Kraft für ihren oftmals belastenden Alltag schöpfen können. Auch die Angehörigen der lebensverkürzend erkrankten Kinder und Jugendlichen sind somit bei einem Aufenthalt jederzeit herzlich willkommen, seien es Eltern, Großeltern, Geschwisterkinder oder andere Zugehörige. Hierbei steht im Fokus, die gemeinsame verbleibende Zeit so positiv und erfüllt wie möglich zu gestalten und Miteinander-Momente der Freude und Entspannung bieten zu können. Wir gehen gerne ein Stück des Weges mit der Familie zusammen und bieten unsere Beratung und Begleitung an. Viele der Zugehörigen nehmen dieses Angebot gerne an und ziehen während des Aufenthaltes des erkrankten Kindes oder Jugendlichen mit in das Regenbogenland ein. Der Aufenthalt ist hierbei für die gesamte Familie kostenlos.

Ein großes Augenmerk liegt auch auf den Geschwistern eines erkrankten Kindes oder Jugendlichen. Schließlich beeinflusst und verändert die Diagnose auch ihr Leben. Geschwisterkinder spüren die besonderen Herausforderungen im Alltag der gesamten Familie, übernehmen oftmals viele Aufgaben und setzen sich mit Themen auseinander, die für andere Gleichaltrige nicht nachvollziehbar sind. Mit einem auf ihre speziellen Bedürfnisse abgestimmten Konzept widmen wir uns Geschwistern jeglicher Altersgruppen. Unser Ziel: Freude, Spaß und ein gemeinsamer Austausch. Dabei treffen die Kinder auf andere Geschwisterkinder und merken, dass auch andere etwas Ähnliches erleben und sie mit ihren Gedanken nicht allein sind. Geschwister, die während der Aufenthalte im Haus sind, erhalten ein speziell auf ihre Bedürfnisse abgestimmtes Betreuungsprogramm. Hinzu kommen ambulante Angebote für gestaffelte Altersklassen ab vier Jahren.

Müttern und Vätern von lebensverkürzend erkrankten Kindern und Jugendlichen, die bereits Gäste im Regenbogenland waren, bieten wir spezielle Familienaktivitäten an. Dazu gehören zum Beispiel Müttertreffen, Vätertage oder Mütter- bzw. Väterwochenenden. Neben der Begleitung der Eltern liegen uns auch die Großeltern sehr am Herzen. Denn auch Oma und Opa müssen mit der besonderen Situation eines erkrankten Enkelkindes leben und sind oftmals eine große Stütze in der Familie. Deshalb laden wir in regelmäßigen Abständen zu einem Großelterntreffen ein und veranstalten auch Großelterntage, die zusammen mit dem Enkelkind im Regenbogenland stattfinden. Diese Tage sind gefüllt von vielen gemeinsamen Aktivitäten, geben aber auch Gelegenheit für Gespräche mit dem Familien- und Trauerbegleitungsteam und spenden Zeit zum Ausruhen und Krafttanken.

  • Welche Herausforderungen haben Sie in den vergangenen Jahren in Ihrer Hospizarbeit gerade vor dem Aspekt der COVID-19 Pandemie erlebt?

Durch die lebensverkürzenden Erkrankungen und schweren Behinderungen gehören unsere Gäste während der aktuellen Pandemie zur höchsten Risikogruppe und benötigen unser aller Rücksicht und Schutz. Wir haben natürlich grundlegend eine besondere Fürsorgepflicht gegenüber unseren Gästen und sind ein Schutzraum mit hohen Hygienestandards, aber während der COVID-19 Pandemie haben wir noch weitergehende Maßnahmen treffen müssen, um unsere Gäste bestmöglich zu schützen. Der verantwortungsvolle Umgang mit den lebensverkürzend erkrankten Kindern und ihren Familien hat immer unsere oberste Priorität.

Trotzdem hatte das Regenbogenland auch in dieser aktuell besonderen Situation immer das wichtigste Ziel vor Augen: Den Familien beizustehen, ihnen Entlastung zu bieten und die Versorgung sicherzustellen. Für die betroffenen Familien ist es weiterhin und ganz besonders in der aktuellen Situation wichtig, dass sie sich auf das Regenbogenland verlassen können. Wir sind sehr froh darüber, dass wir es in den vergangenen Jahren, trotz mancher Einschränkungen, weiterhin geschafft haben durchgängig an der Seite unserer Regenbogenland-Familien sein zu können. Wie Sie sich vorstellen können, war das die ganze Zeit über ein ziemlicher Balance- und auch Kraftakt.

Auf der anderen Seite haben wir während der Pandemie auch einen Rückgang der Spenden festgestellt. So konnten zum Beispiel sämtliche Benefizveranstaltungen zu unseren Gunsten nicht mehr stattfinden, Spendenhäuschen in Ladenlokalen und Gastronomien blieben leer, da diese geschlossen hatten und natürlich hatten auch viele Unternehmen und Privatpersonen selber mit der Situation zu kämpfen, worunter auch die Spendenbereitschaft gelitten hat. Uns erreichten aber auch in dieser Zeit viele liebe Worte und Unterstützungen unterschiedlichster Art, worüber wir aus tiefstem Herzen dankbar waren. Da sich das Kinder- und Jugendhospiz Regenbogenland zu mehr als der Hälfte aus Spenden finanziert, sind wir zwingend auf Unterstützer angewiesen. Jeder Beitrag ist wichtig und hilft uns dabei, glückliche Stunden für Miteinander-Momente zu schenken. Ohne diese Hilfe wäre es nicht möglich, das ganzheitliche Angebot des Regenbogenlands umzusetzen.

Und wieder befinden wir uns in unsicheren Zeiten. Der Ukraine-Krieg, die einhergehenden finanziellen Belastungen für die Menschen und vor allem die Unsicherheiten, wie es in Zukunft weitergeht, all diese Auswirkungen merken wir gerade sehr deutlich. Aber wir bleiben weiter zuversichtlich.

  • Können Sie uns Einblicke über die Hospizversorgung in Deutschland geben? Wie groß ist ihr aktueller Versorgungsbereich?

Aktuell gibt es insgesamt 20 stationäre Kinderhospize in Deutschland, die Familien mit lebensverkürzend erkrankten Kindern und Jugendlichen auf ihrem Weg begleiten. Das stationäre Kinder- und Jugendhospiz stellt für die Kinder und Jugendlichen hierbei die Versorgung im Sinne des §39a SGB V sicher und erbringt für die Pflegebedürftigen im Sinne des SGB XI Leistungen der vollstationären Pflege. Mit dem Abschluss des Versorgungsvertrages ist das Kinder- und Jugendhospiz zur stationären Hospizversorgung und gleichzeitig als Pflegeeinrichtung gemäß SGB XI zur pflegerischen Versorgung der erkrankten Kinder zugelassen und verpflichtet.

Der jeweilige Wohnort der Familien ist hierbei nicht von Bedeutung. Die betroffenen Familien dürfen frei wählen, welches Kinder- und Jugendhospiz sie für einen Aufenthalt aussuchen. Deshalb dürfen wir zwar vor allen Dingen sehr viele Familien aus dem näheren Umfeld bei uns im Regenbogenland begrüßen, aber eben auch Familien die z.B. aus dem Norden oder Süden des Landes für einen Aufenthalt zu uns kommen.

Neben der Möglichkeit für stationäre Aufenthalte werden Familien mit lebensverkürzend erkrankten Kindern und Jugendlichen zudem auch durch anerkannte ambulante Kinder- und Jugendhospizdiensten oder SAPV-Teams (Teams für spezialisierte ambulante Palliativversorgung) begleitet. Ein Beispiel ist hier z.B. das Kinderpalliativteam „Sternenboot“ des Universitätsklinikums Düsseldorf mit Fachärzten für Kinderheilkunde, Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger*innen mit einer Zusatzausbildung in Palliative Care sowie einer Sozialarbeiterin und einer Psychologin. Der ambulante Kinder- und Jugendhospizdienst als weiteres Beispiel begleitet und unterstützt Familien mit einem lebensverkürzend erkrankten Kind zu Hause. Durch den Einsatz von geschulten ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen erhalten Familienmitglieder die Möglichkeit, exklusive Zeit für sich zu nutzen, an Aktivitäten teilzuhaben oder sich eine Auszeit zu gönnen.

  • Was wünschen Sie sich und Ihrem Team für Ihre zukünftige Hospizarbeit?

Meine Wünsche für die zukünftige Kinder- und Jugendhospizarbeit liegen vor allen Dingen in den Bereichen Wahrnehmung und der weiteren Entwicklung der Angebote für lebensverkürzend erkrankte Kinder und Jugendliche.

Ich würde mir wünschen, dass alle betroffenen Familien mit lebensverkürzend erkrankten Kindern auch wissen, dass sie in einem Kinder- und Jugendhospiz bereits während der Krankheitsphase Entlastung finden können.

Ich würde mir wünschen, dass diese Familien ihren Weg ins Regenbogenland finden und es uns gelingt, diesbezügliche etwaige Unsicherheiten zu nehmen, und den betroffenen Familien zu zeigen, wie wertvoll eine Unterstützung durch einen Aufenthalt in unserem Haus für sie sein kann.

Auch wenn die Themen Tod, Sterben und Trauer häufig ein Tabuthema sind – und dies noch verstärkt wird sobald Kinder betroffen sind- würde ich mich sehr freuen, wenn mehr Menschen sich „trauen“ würden bei diesem Thema hinzuschauen und sich damit zu beschäftigen. Sie könnten dabei entdecken, wie wertvoll die Kinder- und Jugendhospizarbeit ist, wie viele wunderschöne Momente diese bereit hält und wie wichtig sie in der Trauerbegleitung der betroffenen Familien ist.

Ich würde mir zudem wünschen, dass möglichst viele Menschen, die Kinder- und Jugendhospizarbeit mit ihren Möglichkeiten unterstützen.

Etwas was aus meiner Sicht noch grundlegend fehlt, ist eine angemessene Perspektive für lebensverkürzend erkrankte junge Erwachsene. Wir begleiten ja aktuell Jugendliche und junge Erwachsene bis zu einem Alter von 27 Jahren. Ich würde mir wünschen, dass es auch für junge Erwachsene, die dieses Alter überschreiten, ausreichend und adäquate Angebote gibt, durch die sie und Ihre Familien während ihrer Krankheitsphase Entlastung finden können und auf ihrem Weg begleitet werden können.

Grundsätzlich wünsche ich mir, dass das gesamte Regenbogenland-Team weiterhin vielen Kindern  und Jugendlichen mit lebensverkürzenden Erkrankungen zur Seite stehen kann und der gesamten Familie glückliche und unvergessliche Miteinander-Momente schenken kann sowie beim so wichtigen Abschiednehmen und in der Trauer begleiten kann.

Mehr Infos zum Kinderhospiz Regenbogenland unter kinderhospiz-regenbogenland.de
Hinweis: Verwendung der Bilder mit freundlicher Genehmigung von Anja Eschweiler