Peripherin ein neuer Biomarker für die Peripherie?

In Zusammenarbeit mit Jan Voth

Ein bestehendes Problem in der Diagnostik und Behandlung peripherer Neuropathien ist das Fehlen zuverlässiger Biomarker. Ärztinnen und Ärzte müssen bei diesen Krankheitsbildern auf körperliche Untersuchungen sowie klinische und neurophysiologische Tests zurückgreifen, welche vermehrt fehleranfällig sind und einen hohen zeitlichen Aufwand mit sich bringen. Verlässliche Biomarker könnten die Diagnosestellung und den therapeutischen Werdegang auch im Hinblick auf ein Therapieansprechen vereinfachen.

Als allgemeiner neurologischer Biomarker gewinnt das Neurofilament light (NfL) an immer mehr Bedeutung. Es fungiert als Intermediärfilament (Typ 4) des axonalen Zytoskeletts und wird sowohl im zentralen Nervensystem (ZNS) als auch im peripheren Nervensystem (PNS) gebildet. Allerdings steigt sein Spiegel bei fast allen neurologischen Erkrankungen an und zeigt damit Schwächen in der Unterscheidung peripherer und zentraler Entzündungen.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie aus London bringt dafür nun Peripherin als potenziellen flüssigen Marker peripherer Nervenerkrankungen ins Spiel. Ähnlich wie NfL ist auch Peripherin ein Intermediärfilamentprotein (Typ III), das jedoch fast ausschließlich im PNS exprimiert wird und eine Rolle in der axonalen Regeneration spielen soll.

Peripherin also der zuverlässige Biomarker der Peripherie?

Der Fokus der Studie lag auf den folgenden Eckpunkten. Zunächst untersuchten sie die Verteilung von Peripherin und NfL in verschiedenen Organen. Hierfür wurden neuronale und nicht neuronale Gewebearten p56-Sprague-Dawley-Ratten entnommen, präpariert und mithilfe eines Immunoblots analysiert. Beide Filamente waren nur in neurologischem Gewebe darstellbar. Während NfL sowohl im ZNS als auch im PNS (Ischias-Nerv) nachweisbar war, ließ sich Peripherin nur im Rückenmark und Ischias-Nerv finden. Durch eine immunhistochemische Färbung konnte das Vorkommen von Peripherin im Rückenmark auf periphere Anteile wie abgehende Alpha-Motoneuronen oder primär afferente Neuronen der Hinterstrangbahn zurückgeführt werden.

Um dann für die weiterführenden Serumuntersuchungen Peripherin messen zu können, entwickelte das Team einen hochsensitiven Simoa (single-molecule array) basierten Immunoassay. Peripherin wird vor allem bei axonaler Schädigung freigesetzt. Dies konnten sie mithilfe von Zellkulturen sensorischer Neuronen mit induzierter Demyelinisierung und Axonschädigung zeigen. Nach 24 Stunden waren Peripherinwerte signifikant höher bei axonaler Schädigung als bei Demyelinisierung.

Im folgenden Schritt wurden Peripherin und NfL in Blutproben von Patienten mit Guillain-Barré-Syndrom (GBS), chronisch inflammatorischer demyelinisierender Polyneuropathie (CIDP), den ZNS-Erkrankungen Multiple Sklerose (MS) und Demenz sowie gesunden Kontrollen analysiert. Spitzenwerte von Peripherin konnten dabei GBS von den anderen Krankheiten abgrenzen. Die erzielten Ergebnisse deuten darauf hin, dass neben der Demyelinisierung bei GBS auch eine bedeutende axonale Schädigung vorliegt. Abseits der GBS-Blutproben war die Konzentration meist niedrig oder nicht nachweisbar. Auch die NfL Spitzenwerte fielen bei GBS am höchsten aus, konnten CIDP, MS und Demenz von den gesunden Proben differenzieren, jedoch nicht periphere von zentralen Schädigungen.

Um zu überprüfen, ob NfL und/oder Peripherin eine Unterscheidung von GBS und CIDP ermöglichen können, wurden Sensitivität und Spezifität der beiden Marker bestimmt. Für die bestehenden Nachweisgrenzwerten der beiden Assays zeigte NfL eine leicht höhere Sensitivität (NfL: 82% vs. Peripherin: 78%) und vor allem Spezifität (NfL: 80% vs. Peripherin: 71%). Über ein binominales Regressionsmodell beider Marker kombiniert konnte bei gleichbleibender Sensitivität sogar eine Spezifität von 89% erreicht werden. Erste Hinweise gab es zudem dafür, dass bei GBS-Patienten Peripherin-Konzentrationen innerhalb 1-2 Wochen einen Spitzenwert erreichen und dann gemäß dem Krankheitsverlauf wieder abfallen, auch wenn es nicht mit den klinischen Parametern korrelierte. Einzelne Ergebnisse sprachen zwar dagegen, dies könnte sich allerdings durch fehlende axonale Läsionen erklären lassen. Anders als NfL scheint Peripherin zudem im Alter nicht anzusteigen.

Insgesamt lässt sich zusammenfassen, dass Peripherin als Intermediärfilament fast ausschließlich im peripheren Nervensystem exprimiert wird. Es kann einen Anstieg bei akuter axonaler Schädigung detektieren, wodurch es diese von langsamen demyelinisierenden Prozessen unterscheiden und den Krankheitsverlauf vermutlich longitudinal abbilden kann. Eine frühzeitige Erkennung der Krankheit könnte verbesserte Therapieverläufe ermöglichen.

Weiterführende Untersuchungen bezüglich Peripherins sollten ein größeres Patientenkollektiv anstreben, Immunoassays zur Messung vergleichen und auch andere Erkrankungen mit axonaler Schädigung einbeziehen.

Quelle: Keddie, S., Smyth, D., Keh, R. Y. S., Chou, M. K. L., Grant, D., Surana, S., Heslegrave, A., Zetterberg, H., Wieske, L., Michael, M., Eftimov, F., Bellanti, R., Rinaldi, S., Hart, M. S., Petzold, A., & Lunn, M. P. (2023). Peripherin is a biomarker of axonal damage in peripheral nervous system disease. Brain : a journal of neurology, 146(11), 4562–4573. https://doi.org/10.1093/brain/awad234